Kirmes in Ruthweiler


Die Kirmes, Kerwe oder einfach die Kerb, ein „kirchliches“ Fest zur Erinnerung an die Einweihung der Kirche oder eher ein weltliches Fest mit dem Charakter eines Erntedankfestes oder eines Krammarktes ?

Nach allgemeiner Meinung wird oder wurde die Kirmes an dem Sonntag gefeiert, an dem die örtliche Kirche geweiht bzw. eingesegnet wurde. Demnach ist die jährliche Kirmes das „Kirchweihfest“.
 

Die Kirche auf Burg Lichtenberg

Die Vorgängerin der heutigen Burgkirche auf Lichtenberg

war die St. Georgs Kapelle, dem Schutzpatron der Ritter geweiht.

Ihre Erbauung fällt in das 13. Jahrhundert, denn bereits 1290 wird sie urkundlich erwähnt.                                                     

1759 erfolgte der Abriß der alten Kirche wegen weit fortgeschrittener Baufälligkeit.

Nach der im Sockel der heutigen Kirche eingehauenen Jahreszahl 1754 soll in diesem Jahr mit dem Neubau

begonnen worden sein. Die Einweihung der neuen Kirche erfolgte am 10. Dezember 1758.

Burgkirche

Zeichnung und Text:
Westrich-Kalender 1967 Kusel

Dabei ist die Kirmes, wie sie landläufig seit Gedenken gefeiert wird, eher ein ausgesprochen „weltliches“ Fest.

Am Kirmessonntag ist kein vordringlicher Kirchgang angesagt, was eigentlich am Tage des Gedenkens an die Einweihung der Gemeindekirche naheliegend wäre. Auch der örtliche Pfarrer tritt während des traditionellen Ablaufes der Kirmes in keiner besonderen Weise in Erscheinung.
In Fällen, in denen mehrere Gemeinden gemeinsam eine Kirchengemeinde bilden, wird eher an verschiedenen Terminen, als gemeinsam gefeiert. Oder aber umgekehrt, was ist, wenn eine Gemeinde zwei Kirchen hat?

Es ist schon anzunehmen, daß der Ursprung der Kirmes schon das Fest zur Erinnerung an die Einweihung der Dorfkirche gewesen ist, aber im Laufe der Zeit ist dieser Zusammenhang wohl nur noch in den seltensten Fällen vorhanden.

Eine Zeichnung von
Karl Heinz
entnommen aus dem
Pfälzer Heimatkalender für das Jahr 1963
DER JÄGER AUS KURPFALZ

Zeichnung Burg mit Burgkirche

Grundsätzlich wurde die Erlaubnis eine Kirmes „abzuhalten“ von den „Landesherren“ sehr großzügig erteilt. Die zu erwartenden Einnahmen aus der Bier- und Branntweinsteuer waren dafür gute Gründe.

Den Tag der Kirmes bestimmten eher die Jahreszeiten mit ihren entsprechenden Witterungsverhältnissen und der Jahresablauf zwischen Aussaat und Ernte. Zu berücksichtigen waren insbesondere die Kirmestage in den Nachbargemeinden oder größere allgemeine Märkte der Region.

So wird in der Regel die Kirmes im zeitigen Frühjahr, nach der Heuernte oder nach der großen Ernte im Herbst gefeiert.

Da die meisten Kirmesfeste in den Spätherbst fallen, erlangen sie dadurch den Charakter und die Ausgelassenheit eines „Erntedankfestes“. Der im Mittelpunkt stehende Kerwestrauß wäre bei dieser Deutung eine andere Art von Erntekrone, mit der bunten Vielfalt der geernteten Feldfrüchte.

In Ruthweiler sagt man: „An de Kerb muß das Hei gemacht und an de (Kuseler) Mess, die Frucht dehäm sin“.

Hochbetrieb bei Ruthweilerer Kirmes Welchen Ursprung die Kirmes auch immer haben mag, Kirchweih, Erntedankfest oder Krammarkt, die „Kerb“ wird seit jeher ausgelassen und ausgiebig gefeiert. In unseren Erinnerungen sind die Kirmestage der vergangen Jahre lebendig geblieben.
Bilder und überlieferte Geschichten sind Zeugnisse unserer Dorfkultur.

Ruthweiler bekam erst nach 1870 ein eigenes Kirchweihfest zugestanden. Bis dahin feierte man das Fest gemeinsam mit der Gemeinde Thallichtenberg.

Als Termin wurde in Erinnerung an den Sieg bei Sedan am 1. September 1870 der erste Sonntag im September festgelegt.

Zusammen mit dem Militärverein Ruthweiler, allgemein Kriegerverein genannt, beging man nun den „Sedantag“ und feierte gleichzeitig die „Kirmes“.

Anzeige im KUSELER ANZEIGER
Freitag, 2. September 1892

Sedanfeier und Kirmes in Ruthweiler

 

 

Sedanfeier und Kirmes in Ruthweiler

Am Sonntag den 4. und Montag den 5. September findet in dem schönen geschmückten Saale von Chr. Rixen hierselbst großes Tanzvergnügen bei gut besetztem Orchester statt.

Für gute speisen und Getränke ist bestens gesorgt.

Zu zahlreichem Besuche ladet ergebenst ein

Der Vorstand des Militärvereins.

 

Mit Genehmigung des Oberpräsidenten der Rheinprovinz in Koblenz vom 26.o8.1938 wurde die Kirmes in Ruthweiler auf den dritten Sonntag im August vorverlegt.

Während des Krieges wurde die Kirmes nicht gefeiert.

Eintragung in der Schulchronik der Volksschule Ruthweiler:
„Am 22. und 23.8.1948 wird die Kirmes in Ruthweiler zum erstenmal seit 1939 wieder in althergebrachter Weise gefeiert“.

In den folgenden Jahren und bis heute findet die Kirmes am ersten Sonntag im Juli statt.
Die Heuernte war geschafft und man hatte bis zur Haupternte nun Zeit die Dorfkirmes ausgiebig zu feiern.

Um eine Kirmes entsprechend dem allgemeinen Brauchtum auszurichten, müssen mindestens drei Voraussetzungen gegeben sein:  Erstens die Dorfjugend, zweitens ein Gastwirt und drittens eine entsprechende Tanzgelegenheit.

Wirt und Straußbuben organisieren im Rahmen eines traditionell festgelegten Aufgabenbereichs gemeinsam die Kirmes.

Die erste Gastwirtschaft in Ruthweiler wird 1905 erwähnt.

Beschlussbuch des „Arbeiter-Verein“ Ruthweiler.
 Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung vom 8. Januar 1905:

Generalversammlung am 8 ten Januar 1905

Die Versammlung wurde in der Wirtschaft von Wilhelm Theobald zu Ruthweiler abends 7 Uhr
abgehalten und durch den Vorsitzenden Jakob Barz ausgeführt. Erschienen waren 26 Mitglieder.

Tagesordnung …………………. 

Da zu dieser Zeit ein Saalbau in Ruthweiler nicht vorhanden war, feierte man im Freien, in einem Festzelt, aber wohl überwiegend im Obergeschoß der Mühle des Christian Hieronymus Rixen, „Rixen-Mühle“.

Zeichnung "Rixen Mühle"
Die Gastwirtschaft in der Ortsmitte wurde 1904 von der Brauerei Koch in Kusel erbaut.

Neuer Wirt der „Koch`schen Wirtschaft in Ruthweiler“ war ab 1907 Peter Lutt, der im Jahre 1912 an die Gastwirtschaft das spätere Haus „Hollinger“, in dem auch ein Kolonialwaren-Geschäft untergebracht war, anbaute. Die beiden Buchstaben „PL“ über dem Schaufester weisen darauf hin.



Lt. Beschluß vom 12. Januar 1908 wurde der Gastwirt Peter Lutt im Alter von 54 Jahren, aus nahe liegenden Gründen,
Ehrenmitglied des Arbeiter-Vereins Ruthweiler.

Nach Angaben unseres Mitbürgers Jakob Weingarth wurde Daniel Müller, genannt „de dick Miller“, im Jahre 1914 Eigentümer der Gastwirtschaft. Lt. Bautenregister des Amtes Burglichtenberg in Berschweiler, erhielt er mit Verfügung vom o5.o8.1919 die Genehmigung zum Anbau eines Tanzsaales.

KUSELER ANZEIGER
vom 31. Juli 1907Anzeige Gastwirtschaft in Ruthweiler vom 31.07.1907

Anzeige aus dem Jahre 1919

KUSELER ANZEIGER
Mittwoch, 31. Dezember 1919


 

Weitere Besitzer waren ab 1922 Ludwig Dick, der 1925 mit Ludwig Ferdinand, Alter Weg, das Hausgrundstück tauschte.
Im Jahre 1946 übernahm sein Sohn Jakob Ferdinand die Gastwirtschaft. Neben der Gastwirtschaft wurde noch ein Kolonialwaren-Geschäft betrieben.

Anzeige aus dem Jahr 1946

Am 25.12.1955 wurde das Gasthaus „Zum Vater Rhein“ eröffnet. Die Wirtsleute waren Kurt und Linda Rhein.

Anzeige Speisegaststätte

Sind zwei Gastwirtschaften im Ort vorhanden wird das Fest je nach Ausrichtung der Straußbuben, in der einen oder anderen Gastwirtschaft gefeiert. Stehen ausreichend Straußbuben zur Verfügung, feiert man eine „Doppelkirmes“.

Kann der Gastwirt keinen Saal zur
Verfügung stellen, feiert man eben
eine „Zeltkirmes“.

Können sich die Straußbuben nicht
einigen, müssen die „Alten „ die Sache
in die Hand nehmen.

Auch die „jungen“ Frauen haben bewiesen,
daß sie eine Kirmes ausrichten können.
Ihre traditionelle Rolle während der
Vorbereitung und des Kirmesverlaufes
hat sich entscheidend verändert.

Schlimmstenfalls fällt die Kirmes aus.
Die Buswartehalle ist dann der klägliche
Mittelpunkt der Kirmes.


In Ruthweiler ist man, was die Kirmes
betrifft, sehr flexibel. Alle vorgenannten
Varianten wurden bereits erprobt.

Der gesellschaftliche Wandel, sowie die Entwicklung
der wirtschaftlichen Lage der örtlichen Gastronomie,
die erheblich durch den Bau von Dorfgemeinschafts-
häusern beeinflusst wurde, verändern auch zwangsläufig
die dörflichen Traditionen.

Es bleibt zu hoffen, daß es unsere Dorfjugend noch viele
Jahre gelingen wird, mit Unterstützung der Bevölkerung
und der örtlichen Vereine, unsere Kirmestradition in
Ruthweiler aufrecht zu erhalten.

Anzeige 05.07.1967

Ausführungen über den Ablauf der Kirmes selbst wurden bisher ausgespart.

Unsere, am 29.o7.2001 verstorbene Mitbürgerin Frau Wilma Hollinger, hat uns Aufzeichnungen hinterlassen, in denen sie ausführlich den früheren Ablauf der Kirmes in Ruthweiler beschreibt.

Es ist schon erstaunlich, wie wenig sich daran im Laufe der letzten hundert Jahre verändert hat.

Die Straußrede begann wohl schon immer mit der Begrüßung der Gäste, und meistens mit dem Satz:
„Ihr liewe Leit, ehr Kerwe-Gäscht, willkommen zu unserem Kerwe-Fescht“.

Dann folgt die eigentliche Straußrede, eine Auflistung der bekannt gewordenen „Peinlichkeiten“ der Mitbürger während des vergangenen Jahres, in mehr oder weniger gelungener Versform.

Im Anschluß an die Straußrede wird der Wirt ausgiebig beschimpft, insbesondere weil er im letzten Jahr zu wenig Freibier herausgerückt hatte.

Auch die Musikanten bekommen ihren Teil ab:
„Kurze Dänz un lange Pause, das sin so Musikanteflause“.


Aber urteilen Sie selbst.

Geändert hat sich aber erkennbar die Rolle der jungen Frauen.
Wenn sie früher eher eine untergeordnete Rolle bei den Vorbereitungen spielten, sind sie heuten in den gesamten Kirmesablauf eingebunden. Nicht selten übernehmen sie die herausgehobene Aufgabe den Strauß „auszurufen“.

Nun, eine Sache sollte nicht vergessen werden.
Und zwar der übergroße Bleistift, der bei jedem Kirmes-Umzug von den Strauß-Buben mitgeführt wurde. Stets wurde behauptet, daß mit diesem Bleistift die Kirmes-Rede geschrieben wurde.



Dieser Text wurde aus der Schrift "Wem ist die Kerb? - Die Kirmes in Ruthweiler" entnommen. Heraus gegeben wurde die Schrift von der Arbeitsgruppe: Gemeindearchiv Ruthweiler. (Verantwortlich für den Inhalt: Alfred Weber).


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